Ein Prozess vor Gericht ist für die Beteiligten belastend. Denn er kostet Geld und Zeit und Nerven. Doch auch mit einer Mediation können Konflikte entschärft werden. Seit einem Jahr ist diese Form der Streitlösung gesetzlich verankert.
Ärger lauert überall: Sei es der Bauunternehmer, der das Haus nicht rechtzeitig fertigstellt, der Ex-Mann, der keinen Unterhalt zahlt, oder die Schwester, die mehr vom gemeinsamen Erbe haben will – täglich geraten Menschen in Streit. Nicht selten landen die Fälle vor Gericht. „Da entscheidet dann am Ende ein Richter darüber, wer Recht hat und wer nicht“, sagt Christian Duve, Vorsitzender des Ausschusses Außergerichtliche Konfliktbeilegung im Deutschen Anwaltverein. Anders ausgedrückt: Eine Seite gewinnt, die andere verliert. Dabei muss es oft gar nicht erst soweit kommen.
„In vielen Fällen hilft es, wenn man sich unter der professionellen Leitung eines Mediators zusammensetzt und differenziert über Probleme redet“, sagt Michael Plassmann, Vorsitzender des Ausschusses für außergerichtliche Streitbeilegung der Bundesrechtsanwaltskammer. „Denn dann wirft man auch mal einen Blick hinter die Fassade.“ Möglich ist das in einer Mediation. Seit Ende Juli 2012 ist diese Form der außergerichtlichen Streitbeilegung in Deutschland gesetzlich verankert.
„Mit einer Mediation können viele Konflikte entschärft werden“, sagt Plassmann. Denn anders als bei einem Gerichtsverfahren, wo sich die Streitparteien oft unversöhnlich gegenüberstehen, sitzen hier beide Seiten an einem Tisch. „Der Mediator entscheidet nicht über den Konflikt, sondern die Parteien finden mit seiner Hilfe zu einer individuellen Lösung für ihr Problem“, erklärt Plassmann den Unterschied. Und sein Kollege Duve ergänzt: „Die Entscheidung treffen in einer Mediation die Beteiligten, nicht der Richter.“
Mediatoren verfügen im Unterschied zu einem Richter über keine Entscheidungskompetenz und machen keine direkten Lösungsvorschläge.Allerdings können erfahrene Mediatoren das Verfahren durch geschickte Fragen oder Anregungen in eine bestimmte Richtung lenken. Dieses Vorgehen bietet den Streitparteien Verhandlungsspielraum.
„Nehmen Sie doch mal an, ein Lieferant streitet mit seinem Auftraggeber, weil dieser die letzte Lieferung nicht bezahlt hat“, gibt Mediator Plassmann ein Beispiel. „In einem Gerichtsverfahren wird nur festgestellt, ob ein Anspruch auf das Geld besteht oder nicht.“ In einem Mediationsverfahren hingegen werde versucht, die Gründe für den Zahlungsverzug herauszufinden. „Wird beispielsweise in einer Mediation vom Auftraggeber ehrlich eingeräumt, dass er gerade nicht liquide ist, kann ein Ausgleich für die Forderung, zum Beispiel in Form einer Unternehmensbeteiligung, gefunden werden, die über eine reine Ratenzahlung hinausgehen kann.“
Mediationsverfahren sind in vielen Bereichen möglich – von Familienstreitigkeiten, etwa bei Trennung, Scheidung oder Erbschaft, über Arbeitsrechts- oder Wirtschaftsfälle bis hin zu Baurechtsfällen. „Immer wenn Sie auch nach dem Verfahren mit der anderen Partei noch zu tun haben, kann eine Mediation sinnvoll sein“, erläutert Plassmann. Oft führen diese Verfahren auch schneller zum Ziel: „In der ersten Instanz vergehen schnell neun Monate bis zum Urteil, während Sie in einer Mediation innerhalb weniger Tage eine Lösung finden können.“
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Mediation keine Aussicht auf Erfolg hat: „Wenn es darum geht, eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, muss ich schon den Weg durch die Instanzen gehen“, sagt Rechtsanwalt Duve. Auch wenn die Parteien von ihren jeweiligen Erfolgsaussichten überzeugt sind oder den Rechtsstreit als Frage des Prinzips betrachten, bietet sich der Gang vor Gericht eher an.
Auch wenn die Mediation seit gut einem Jahr gesetzlich verankert ist, in der Praxis merkt man das noch nicht deutlich. „Die Zahl der Fälle ist seitdem nicht signifikant gestiegen“, sagt Plassmann. Allerdings sei das auch nicht zu erwarten gewesen, erläutert Duve. „Denn das Gesetz hat ja nur schon bestehende Regeln vereint.“
Auch die Rechtsschutzversicherer haben noch keine statistischen Daten. „Aber die Unternehmen berichten von ständig wachsenden Fallzahlen in der Mediation“, sagt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Denn auch die Versicherer haben erkannt, dass Mediation ein großes Potenzial hat. „Die Mediation führt oftmals schneller zur Konfliktlösung und schlichtet einen Streit nachhaltig und im gegenseitigen Einvernehmen“, erklärt Jarosch.
„Bei vielen Kollegen ist das Thema inzwischen angekommen“, hat Rechtsanwalt Duve beobachtet. Denn das Mediationsgesetz besagt, dass Anwälte mit ihren Mandanten einmal über die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung sprechen müssen, bevor sie vor Gericht ziehen. „Dadurch ist die Mediation ins Bewusstsein vieler Anwälte gerückt.“ Und Duve ist überzeugt: „In zehn Jahren wird Mediation zum Alltag gehören.“
Quelle: 11.07.2013 focus.de / süddeutsche.de